Berufspolitik
Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,
wer das Thema Verschlankung der öffentlichen Strukturen anspricht, erfährt in Deutschland breite Unterstützung. Die Mehrheit der Bürger befürwortet dies und fordert stärkere Anstrengungen als es in der Vergangenheit der Fall war. Unterstützt wird dies regelmäßig von Vertretern der Wirtschaft. Kurz: Beim Stichwort Bürokratieabbau sind sich alle einig. Brüchig wird dieser Konsens aber meist, wenn konkrete Schritte ergriffen und einzelne Gruppen belastet werden. Die Bereitschaft, Probleme eigenverantwortlich zu lösen, ist häufig nicht das erste Mittel der Wahl. Noch schwieriger wird es, wenn die eigenen Besitzstände in Frage gestellt und persönliche Einbußen bei der gewohnten Dienstleistung hingenommen werden sollen. Die größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit und keine Risiken selber verantworten zu wollen, sondern die Haftungsfrage bis in Detail vorab zu klären, führt zu einer immer weiter wuchernden Regelungsdichte. Die Normierung ist dann nicht mehr ein Instrument zur Gestaltung des Lebens, sondern umgekehrt fühlen sich viele durch die Norm in einer Art Geiselhaft. Nicht ständig erklärt zu bekommen wie wir leben oder reden sollen, ist Teil unserer persönlichen Freiheit. Charles de Montesquieu, der französische Aufklärer, hat bereits im 17. Jahrhundert festgestellt: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Sicher ein Grundsatz, dem ebenfalls viele Bürger und der verantwortliche Gesetzgeber zustimmen. Ein Blick in die Praxis zeigt, wie schwierig es ist, dies dann umzusetzen. So wurde im Juli dieses Jahres das zweite Paket von der Entlastungsallianz vorgestellt. Ob es tatsächlich ein Erfolgsmodell für Bürokratieabbau ist, wird von Fachleuten durchaus angezweifelt. Es fehlt offensichtlich der Mut, Standards und Vorgaben abzuschaffen oder diese wenigstens auf den Stand von vor zehn Jahren zurückzuführen. Gleichzeitig werden neue Gesetze auf den Weg gebracht oder sollen neue Laufbahnen für den höheren geistes- und sozialwissenschaftlichen Dienst geschaffen werden.
Erfolgreich scheinen die Bemühungen beim Antidiskriminierungsgesetz zu sein. Dem Vernehmen nach soll dieses zunächst nicht kommen. Gut, dass die Verantwortlichen offenbar erkannt haben, dass Aufwand und Nutzen für die Betroffenen in keinem ausgewogenen Verhältnis stehen würden. Der VdV wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Idee endgültig von der politischen Agenda gestrichen wird.
Entlastung könnte es auch geben, wenn das Land aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostendämpfungspauschale zügig Klarheit schaffen würde. Dann müssten die Kolleginnen und Kollegen nicht vorsorglich Widerspruch gegen die ergangenen Bescheide einlegen und das Landesamt für Besoldung und Versorgung könnte sich um die eigentlichen Aufgaben kümmern. Aus der Antwort einer Landtagsanfrage zum Stand der Beihilfebearbeitung geht hervor, dass die Bearbeitungszeiten aus Sicht der Berechtigten immer noch deutlich zu lang sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im September findet die Vertreterversammlung unseres Verbandes statt. Dabei stehen auch Wahlen zum Vorstand auf der Tagesordnung. Ich freue mich, dass es genügend Bewerberinnen und Bewerber für die einzelnen Positionen gibt. Ich selber habe entschieden, nicht mehr zu kandidieren. Dies wird deshalb mein letztes Vorwort in der Verwaltungszeitung sein. Ich danke für manche Rückmeldungen in den vergangenen Jahren. Besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Vorstands für die stets gute und fruchtbare, von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit. Vielen Dank sage ich den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle und unserem Geschäftsführer für das unkomplizierte von Vertrauen geprägte Miteinander. Es war mir eine Freude und Ehre, dass ich mich für den für unser Land so wichtigen Berufsstand der Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten einsetzen durfte. Ich habe es gerne getan.
Jochen Müller
Verbandsvorsitzender